Geschichte und Traditon

Die Entwicklung des Schützenwesens

Prof. Dr. Karl Georg Döhmann hat anläßlich des Zusammenschlusses der Allgemeinen-Bürger-Schützen-Gesellschaft und der Bürger- und Bürgersöhne-Schützen-Gesellschaft im Jahre 1933 Nachforschungen in den Steinfurter Archiven angestellt und darüber folgenden Bericht gegeben:

In Steinfurt gab es im 15. Jahrhundert mehrere Bruderschaften, die sich nach ihren Schutzheiligen nannten und ihre Aufgabe in der Übung von Werken der Frömmigkeit und Nächstenliebe, in der Förderung der Interessen ihrer Mitglieder, in der Pflege der Geselligkeit und in der der Veranstaltung eines jährlichen großen Festschmauses erblickten. Diese Bruderschaften bezeichneten sich, ebenso wie es auch die Zünfte der Handwerker taten, als Gilden,und ihre Feste hießen Gildebiere. Das Wort „Gilde“ bedeutet wie das verwandte Wort „Geld“ eigentlich„Vergeltung, Ersatz, Opfer“ und diese Bedeutung hat sich dann weiter entwickelt zu „Opferschmaus, Festversammlung, geschlossene Gesellschaft“. Man sieht hieraus deutlich, daß der Begriff „Gilde“ noch aus vorchristlicher Zeit stammt Die zahlreichste Gilde in Steinfurt nannte sich nach dem volkstümlichsten des Mittelalters dieSt. Antonius-Gilde, und sie stand, wie aus einer Urkunde vom 5. Februar 1478 hervorgeht, mit der St. Sebastianus-Gilde in einer so engen Verbindung, daß beide Gilden sogar gemeinsame Vorsteher (Verwahrer, Provisoren) hatten. Diese Verbindung hat auch noch später bestanden, wie die Stadtrechnung von 1582 beweist. Da nun der Hl. Sebastian in unzähligen deutschen Städten der Patron der örtlichen Schützengilde gewesen ist, so unterliegt es nicht dem geringsten Zweifel, daß die Steinfurter Sebastiansgilde eine der so ziemlich alle Bürger umfassenden Antoniusgilde angegliederte Schützengilde gewesen ist. Im Stadtarchiv gibt es über diese Gilde keine älteren Nachrichten mehr, weil das alte Archiv in dem großen Brande von 1488 fast ganz zugrundegegangen ist. Wahrscheinlich hat die Gilde schon einige Jahrzehnte früher bestanden, und vermutlich haben drohende Kriegsgefahren, die wie die Soester Fehde und die münstersche Stiftsfehde(1444-57) ganz Westfalen in Unruhe und Furcht versetzten, den Grafen Erwin den I. von Bentheim und Steinfurt veranlaßt, den Bürgern der Stadt Steinfurt die Verstärkung ihrer Wehrkraft durch planmäßige Übung in der Schießkunst zu empfehlen.

Diese Vermutung stützt sich auf zahlreiche Angaben in den leider erst seit 1475 und nurunvollständig erhaltenen Rechnungen des gräflichen Rentamts Steinfurt, in denen von Schenkungen von Tonnen Bier, Erbsen und Bohnen an die „Selschap" oder „Geselschap" (Gilde) auf dem Weinhause, die in der Stadtrechnung von 1539 "der schutten seelschapup den wynhus" genannt wird, oder auch an die gemeinen (d. h. sämtlichen), Bürger,„die Borgeren offt (oder) olden schütten", an "die Olden Schutthen" und„de Jungen schütten" teils zu ihrem Gildebier teils zu ihrem Vogelschießen die Rede ist. Der Graf hat mit solchen jährlichwiederkehrenden Schenkungen, die übrigens auch den Schützen von Hollich, Sellen, Veltrup und dem damals zur Grafschaft Steinfurtgehörigen Borghorst gewährt wurden, offenbar den Wehrsport, wie wir heute sagen würden, seiner Bürger und Bauern unterstützen und ermuntern wollen. Nur die Alten Schützen, d. h. die verheirateten Bürger und Hausbesitzer, bildeten die Gilde oder Schützengesellschaft. Die Jungen Schützen, d. h. die Junggesellen und Bürgersöhne, waren eine Art Vorschule oder Pflanzschule für die Gilde. Wenn einer von ihnen heiratete, mußte er Bürger und damit zugleich Mitglied der Gilde werden. Aus den Ratsprotokollen erfahren wir, daß das Schützenwesen eine Angelegenheit der Stadt war. Der Rat bestimmte Zeit und Ort für die Abhaltung des Schützenfestes, und alle Bürger nahmen, nach den drei Eisen oder Stadtteilen geordnet, daran teil, wobei die Friedhöfer sich dem Kirchsträßner Eis anschlössen.

Nach der Reformation feierte man das Fest nicht mehr an den Pfingsttagen selbst, sondern an den beiden folgenden Tagen und zwar wie bisher auf dem Adelingbrink. Geschossen wurde in älterer Zeit mit der Armbrust nach dem Vogel auf der Stange, später mit dem Rohr oder der Büchse nach der Scheibe oder dem Vogel, im 18. Jahrhundert aber hielt man nur noch ein „Königs- und Scheibenschießen“ ab. Die jungen Schützen veranstalteten im 17. Jahrhundert zuweilen auch Preisschießen, zu denen sie fremde Schützen einluden. Es sind auch noch Briefe vorhanden, in denen sie die Äbtissin von Borghorst auf Grund alten Herkommens um die Spendung einer Tonne Bier zu ihren Festen ersuchen. Ober unmäßiges Trinken und Essen bei diesen Festen wurde schon früh geklagt, und einige Jahre vor 1610 sah sich der Rat genötigt, den Verein der jungen Schützen wegen „des schändlichen Mißbrauchs unordentlichen überflüssigen Fressens und Sauffens“ zu verbieten. Im Jahre 1610 wurde das Verbot aufgehoben, und die jungen Schützen baten dann am 27. Februar den Rat, ihnen für ihre Schießübungen und für die Veranstaltung von Preisschießen einen geeigneten Platz zu überweisen. Der Rat bewilligte dies Gesuch und gab den Bittstellern für die genannten Zwecke den Wall von dem Wallbaum am Rott-Tor an bis zum Meteier Wall frei. Dieser Teil des Walls hieß seitdem der Schüttenwall.

Bald darauf brachen heftige Streitigkeiten zwischen dem Grafen Wilhelm Heinrich und der Stadt aus, und die Friedhöfer stellten sich dabei auf die Seite des Grafen und erhielten dafür von ihm die Erlaubnis, sich für ihre Gemeinde eigene Vorsteher oder Bürgermeister zuwählen. Diese neuen Bürgermeister des Friedhofs verweigerten dann die Teilnahme ihrer Gemeinde an dem vom Rat auf Mittwoch nach Pfingsten 1616 angeordneten Schießen der gesamten Bürgerschaft und erklärten, daß sie auf dem Meteler Wall (bei der jetzigen katholischen Kirche) eine Scheibe aufhängen und dort mit den Friedhöfern schießen würden. Als dann der Rat sie wegen dieses Ungehorsams pfänden ließ, kam es darüber zwischen ihm und dem Grafen zu neuen Zwistigkeiten, die 1621 mit der völligen Niederlage der Stadt endigten.

Die auf diese Weise erlangte kommunale Selbständigkeit des Friedhofs nahm schon nach wenigen Jahren ein Ende infolge der Eroberung von Steinfurt durch die Kaiserlichen im Jahre 1635 und der bis zum Ende des Krieges fortgesetzten Verwüstung der Stadt. Die Vorstadt hatte dabei besonders schwer gelitten, und die bisherigen Führer der Opposition waren gestorben oder ins Ausland geflüchtet. Daher wurde seit 1648 der Friedhof wieder ein Teil der Stadt und ordnete sich dem Rat unter. Damit war auch die Einheit der Schützengesellschaft wiederhergestellt, und in den Stadtrechnungen erscheint seitdem die „Stadt-Schützencompagnie", in welchem Namen das Wort „Compagnie" soviel bedeutet wie „Gesellschaft", und sie erhält „nach altem Brauch" einen jährlichen städtischen Zuschuß von 4 Reichstalern. Außerdem gab die Stadt noch zu jedem der auch von Bürgern besuchten Schüttenbiere von Hollich, Seilen und Veltrup jährlich 2 Reichstaler.


Die Stadt-Schützencompagnie bestand gemäß der Einteilung der Stadt in drei Eise aus drei Abteilungen mit je einem Capitain und zwei Leutnants. Obwohl die wirtschaftliche Lage der Stadt und ihrer Bewohner infolge der drückenden Kriegsschulden, Einquartierungen und Steuern geradezu jammervoll war, wurden die Schüttenbiere drei Tage lang gefeiert und außerdem von den Schützen noch an anderen Tagen Zechereien und Schmausereien veranstaltet. Unaufhörlich mußten sich die Prediger mit Klagen über die stets zunehmenden „Freß- und Saufereien“, besonders an den Sonntagen, an die gräfliche Regierung wenden, und diese suchte dann die Schützen zu bewegen, ihr Scheibenschießen auf einen einzigen Tag zu beschränken und weitere Zusammenkünfte zu unterlassen. Im Frühjahr 1741 wurden die Ausschreitungen der Schützen so arg, daß nicht nur die Prediger, sondern auch die beiden Bürgermeister Abraham ter Horst und Albertvan Wulfften und die Mehrzahl der Bürger den Grafen Wilhelm, der für seinen minderjährigen Neffen Karl die Regierung führte, dringend baten, die „im Verderben der Jugend sich übende Schützen-Compagnie, wo nicht gentzlich abzuschaffen, so doch wenigstens in ihrer freyen und unanständigen Lebensart starck einzuschrencken, damit Ruhe und Frieden unter den Schützen und den sonstigen Unterthanen erhalten bleiben möchte.“ Wie schlimm das Unwesen geworden war, geht am deutlichsten daraus hervor, daß sogar die Capitains der Schützen selbst sich diesem Gesuch anschlössen und noch obendrein dem Grafen für den Fall der Gewährung ihrer Bitte eine Erkenntlichkeit von 100 Reichstalern anboten. Am 21. März 1741 bewilligte der Graf das Gesuch in der Form, daß er „diese Compagnie von nun an bis auf alle Zeiten von ihren Scheibenschießen, Schwelgereyen und Zusammenkünfften dispensiren wolle“. Die 100 Taler der Schützen wurden dem Geistlichen Rentamt zu milden Zwecken überwiesen.


So kam es zu einem zeitweiligen Erliegen der alten Steinfurter Schützengesellschaft. Ob die Steinfurter Schützen ihre Heimat mit den Waffen gegen Feinde verteidigt haben, ist nicht festzustellen. In einem Falle jedenfalls wurden sie bewußt nicht eingesetzt. Als nämlich zu Beginn des 30-jährigen Krieges Graf Wilhelm Heinrich im Jahre 1620 wegen der drohenden Kriegsgefahr vom Rat verlangte, daß die jungen Schützen auch außerhalb der Stadt (d. h. zur Besetzung und Bewachung der städtischen und bäuerlichen Landwehren) verwandt werden sollten, lehnte der Rat dies ab, weil daraus der Stadt und der Bürgerschaft große Nachteile durch Einquartierungen, Plünderungen und Kontributionen entstehen könnten.


Aus dem Jahre 1610 liegt ein Originalantrag im Stadtarchiv vor. „Gesuch wegen Vogel- und Scheibenschießen der jungen Bürger“, unterzeichnet: „Sembtiiche Junge Bürger und Junge gesellen der Statt Burgsteinfortt“

Die Steinfurter Schützenkompagnie erhielt jährlich eine Tonne Bier von der Kommende

Im Kommende-Archiv auf dem Steinfurter Schloß befinden sich Unterlagen, aus denen hervorgeht, daß die Steinfurter Schützenkompagnie seit undenklichen Zeiten auf ihre Festtage vom jeweiligen Komtur der Kommende eine Tonne Bier erhielt. Unter dem 18. Oktober 1724 beklagen sich die Schützen jedoch beim Großprior des Johanniterordens darüber, daß der Kommende-Rentmeister ihnen dieses Jahr die übliche Tonne Bier verweigert und sie mit wenig Geld abgespeist habe. Sie bitten freundlichst darum, es bei der Tonne Bier in Gnaden belassen zu wollen. Als Gegendienst bieten sie ihre Mithilfe bei Be- und Entwässerungsarbeiten an. Unterschrieben ist die Eingabe von Johan Friedrich Elfers als Kapitän, Gerrit Wesseling als Leutnant, Jan Berendt Trop Borges als Fähnrich.Ob die Schützen mit ihrem Antrag Erfolg hatten und wie lange die Tonne Bier noch gestiftet wurde, ließ sich leider nicht feststellen.

Die „Jungen Schützen“ und die Äbtissin zu Borghorst

Ein kleiner Beitrag zum Thema „Beziehungen zwischen Borghorst und Burgsteinfurt“ Aus einem Schriftstück des Kommende-Archivs vom Jahre 1615 erfahren wir, daß die „Jungen Schützen“ zu Steinfurt bei ihrem Schützenfest regelmäßig eine Tonne Bier von der Abtei Borghorst erhielten. Seit einigen Jahren jedoch haben sie vergeblich an diese Gabe erinnert. Sie wurde ihnen verweigert, weil ein Eigenbehöriger aus Borghorst versehentlich durch einen Schuß tödlich verletzt wurde. Jetzt aber hat sich die Frau Äbtissin auf der Schützen untertäniges Bitten wieder bereit erklärt, ihnen die fragliche Tonne Bier aus Gnaden wieder zukommen zu lassen. Sie hat aber ausdrücklich darauf hingewiesen, daß das nicht aus Schuldigkeit geschähe und die Schützen keinen Rechtsanspruch darauf hätten, sondern daß sie — die Frau Äbtissin — lediglich aus Gnaden und nachbarlicher Freundschaft dem Wunsche der Schützen entsprechen wolle. Die Schützen erkennen das schriftlich an mit dem Revers vom 12. Juni 1615, der unterschrieben ist von Kerstien Trop, Joh. Kreimer, Bernd Adelinck und Walradt Prümers. Aus einem Vermerk geht hervor, daß die Schützen 1675 erneut die Tonne Bier anmahnten. Wie lange sie dieses Präsent erhalten haben, konnte noch nicht ermittelt werden

. . . . soll mit Schimpf und Schande aus der Schützengesellschaft ausgestoßen werden

Eine Schützenordnung aus dem 17. Jahrhundert.

Im Schloßarchiv befindet sich ein in Schweinsleder gebundenes „Buch der Jungen Gesellen zu Borch Steinfurtt“, das die Namen aller Mitglieder, Könige usw. dieser aus Junggesellen und Bürgersöhnen bestehenden Schützengesellschaft von 1656 bis 1740 enthält. Die ersten Seiten enthalten eine Schützenordnung, die, nach der Sprache zu urteilen, noch wesentlich älter ist, als das Buch. Sie nennt sich „Ordnung, wie und welcher gestallt die Jungen Schützen alhier in Ihrer geselschafft oder Jarlicher beykunfft sich jeder Zeytt verhalten sollen“ und lautet in moderner Schreib- und Ausdrucksweise wie folgt:

1. Jeder, der der Schützengesellschaft unterworfen ist, soll, wenn er durch deren verordneteund bestellte Diener aufgeboten wird, gehorsame Folge leisten, wo nicht, sollen die Ungehorsamen den Gehorsamen mit einer halben Tonne Biers zur Strafe verfallen sein.


2. Falls jemand zur Schlägerei, zu Tumult und Aufruhr Anlaß gibt oder sonst jemanden blutwundet, soll er gleichfalls mit einer halben Tonne Biers bestraft werden.


3. Wenn jemand einem anderen vorsetzlicher und mutwilliger Weise einen Backenstreich oder sonst einen Stoß gibt, soll er mit einer Tonne Biers bestraft werden.


4. Alle, die ein scharf Gewehr oder Messer bei sich haben und es bei der jährlichen Zusammenkunft trotz Aufforderung den Befehlshabern nicht gutwillig überreichen, sollen nach geschehener Inquisition anderen zum Exempel in vorige Strafe genommen werden.


5. Wenn einer mehr Bier verschüttet, als er mit einem Fuß bedecken kann, soll er mit einem Viertel Biers zur Strafe verfallen sein.


6. (Tanzordnung)


7. Wenn die Schützen in einer ehrbaren und feinen Zugordnung ausziehen und etwa einer befunden wird, der mutwillig seine Ordnung überschreitet, so soll er gleichfalls mit einem Viertel Biers bestraft werden.


8. Falls einer, der sich strafbar gemacht hat,sich in der Zeit der Strafe wider die Scheffer, Rumormeister, Brockmeister, Jungfernknechte auflehnt und sich ihnen widersetzt, so soll außer der ihm auferlegten Strafe noch zum Überfluß und anderen zum Exempel zu einem Viertel Biers zur Strafe verurteilt werden.


9. Sollte jemand gegen alles Erwarten Tumult und Unlust unter den Schützen anzetteln, so soll er als Ungehorsamer und Friedbrecher unnachlässig mit einer Tonne Biers bestraft werden.


10. Wenn einer wegen seiner Übertretung bestraft worden ist und etliche hingehen und solche Strafe zu Schimpf und Spott des Bestraften kolportieren, so sollen sie gleichfalls unnachlässig mit einer Tonne Biers bestraft werden.


11. Wer über gute Leute und Jungfern ehrenrührige und böse Reden führt oder ihnen Übles und Verwerfliches nachredet, soll mit einer halben Tonne Biers bestraft werden.


12. Wenn einer seiner Übertretung wegen durch die gesetzten Befehlshaber zur Strafe in die Wanne gesetzt (in ein Gefäß mit Wasser gesetzt) oder gelegt oder eine Zeitlang darin festgehalten worden ist und wenn dann etliche mit Aufläufen und vergeblichen unnützen Worten diese Maßnahme verhindern und tadeln und damit den Straffälligen zur Opposition auffordern, so sollen diese in eine halbe Tonne Biers unnachlässig verdammt sein.


13. Wenn einer seinen ihm bei der Gesellschaft zugewiesenen Platz nicht einnimmt, sondern hin- und herläuft, bei anderen sich niederläßt und säuft, so soll er gleicherweise einer Strafe von einem Viertel Biers verfallen sein.


14. Wer einen ändern nicht mit seinem rechten Taufnamen, sondern mit anderen ungewöhnlichen, ehrenrührigen Namen anredet, soll gleichfalls in eine Strafe von einem Viertel Biers genommen werden.


15. Wenn einer sich wegen seines vielfältigen Saufens auf dem Rathause oder am öffentlichen Keller oder an anderen heimlichen Orten „mit Kotzen und sonsten sich unerbarlich anstellen würde“, soll er wie vorgenannt bestraft werden.


16. Wer solches bemerkt und es den Brockmeistern nicht anzeigt, soll in gleiche Strafe genommen werden.


17. Wer sich nach gutem Gelage und reichlicher Zeche auf der Gasse ehrbaren Leuten und seinen Mitgesellen gegenüber mit Worten und Werken mutwillig zeigt, soll am folgenden Tage anderen zum Exempel nach Gutdünken bestraft werden.


18. Sollte jemand befunden und wahrhaftig betroffen werden, der diese Ordnung nicht in Ehren hält, sondern ihr mit Worten und Werken und sonst in anderer Gestalt, wie es Menschensinne nur erdenken können, zuwider handelt und anderen damit ein ärgerliches und böses Beispiel gibt, so soll derselbe nicht nur mit einer Tonne Biers bestraft, sondern auch bald darauf mit Schimpf und Schande aus der Schützengesellschaft ausgestoßen werden und ihr nimmermehr angehören. Wonach sich ein jeder zu richten hat.


Wie notwendig eine solche Ordnung war, geht daraus hervor, daß schon frühzeitig über unmäßiges Trinken und Essen bei den Festen der Jungen Schützen geklagt und einige Jahre vor 1610 ihr Verein wegen „des schändlichen Mißbrauchs unordentlichen, überflüssigen Fressens und Sauffens“ vom Rat der Stadt auf einige Jahre verboten wurde. Nach Aufhebung des Verbots zeigten sich bald wieder die alten Schwächen. So lesen wir im Schützenbuche unter dem 23. Mai 1684, daß die Offiziere nebst der ganzen Schütterei wegen der eingerissenen großen Unordnung übereingekommen sind, den üblen Brauch, daß jeder dem König auf der Straße einschenkt und der König dafür Geld herausrücken und große Unkosten tragen muß, abzuschaffen. Wer als König trotzdem noch Geld gibt, soll mit einer Tonne Bier bestraft werden. Im Mai 1686 beschließt man wegen großer Unordnung, nicht zuzulassen, daß mehr als 14 Kannen Bier zum Haus der Königin gebracht werden und daß der König länger trinkt als die Offiziere und Jungfern. 1691 verbietet man, sich an der Königin Haus mit Speisen traktieren zu lassen. Allen guten Vorsätzen und Anordnungen zum Trotz aber nahmen im Frühjahr 1741 die Ausschreitungen ein solches Ausmaß an, daß Prediger, Bürgermeister, die Mehrzahl der Bürger und sogar die Capitaine der Schützen den Landesherrn um Aufhebung „der im Verderben der Jugend sich übenden Schützen-Compagnie“ baten. Daraufhin dispensierte dieser am 21. März 1741 „diese Compagnie von nun an bis auf alle Zeiten von ihren Scheibenschießen, Schwelgereien und Zusammenkünften.“ Damit war das Steinfurter Schützenwesen - wenigstens in der Stadt - vorläufig zum Tode verurteilt. Bis 1823 haben hier keine Schützenfeste mehr stattgefunden.

Antrag der jungen Gesellen an die verwitwete Justina Isabella vom Juni 1716

Hochgeborene Reichsgräfin! Gnädigst regierende Gräfin und Frau! Die hiesiger Stadt Steinfurt junge Gesellen oder sogenannte Schützen-Offiziere und einige der Kompagnie-Ältesten remonstrieren an Ew. Hochgräfliche Excellenz in schuldigster Untertänigkeit, wie daß dero Leutnant Prümers an des Kapitäns Johan Ostkottens Behausung die gesamte Kompagnie am 20. Juni a. c. einige alte und eingeschlichene Verordnungen und übermäßige Kosten abzuschaffen und der sämtlichen Burschen Resolution über folgende sechs Punkte vernehmen zu lassen zitiert habe:

1. daß hinfort die Königin nicht von sämtlichen Burschen angesetzt, sondern ein jeglicher König nach seinem Gutdünken erwählen möge.


2. daß ein jeglicher der Offiziere gleichfalls eine Jungfer nach dem Rathause mit sich führen und dieselbe unentgeltlich dimitieren oder zu Hause bringen möge.


3. daß einem jeglichen der Gemeinen ein solches nach seiner Willkür freigelassen und gestanden werde.


4. Auch sollte hinfort in den zur recreation von alters her angestellten drei Tagen keinem einiges Bankett als nur den Frauenzimmern präsentiret werden. Imgleichen hatte


5. kein Bursch sich zu erkühnen, den für Hochgräfliche Beamte, Bürgermeister und sonsten aufgesetzten Tabak wegzunehmen und zu rauchen, sondern ein jeglicher, so der Käsern unterworfen, wird sich gelüsten lassen, seinen eigenen Tabak zu rauchen und sich selbst anzuschaffen. Hauptsächlich ist aber conclu-dieret,


6. daß die Wahl der Offiziere nicht auf deren letztgewesen Wähler bezogen, sondern dieselben per Los durch die ganze Kompagnie gezogen angeordnet und sodann die durch Wahl angesetzten sechs Personen während der Wahl sich des Weinsaufens und Banketts enthalten mögen.


Obige sechs Punkte sind, Hochgeborne Gräfin, gnädige Frau, unter der Kompagnie concludiret und placidieret, auch dahero aus Herrschaftlicher Macht vor Zeiten confirmiertem Schützenbuch mit Privilegien bereit ingrossiret worden.Wie nun aber die Conditiones zum besten der gesamten Kompagnie, sonderlich auch der etwa Unvermögen, gereichen und dadurch alte Gewohnheiten zumal abrogiert sein können, unterdessen gestehen die Offiziere, daß solches ohne Ew. Hochgräfl. Exellenz gnädigste Confirmation nicht autorisiert werden mag.

Anno 1684 den 23. May

Haben wir samtliche Officire neben der ganss Schüttereye für gudt befunden und samptlich eingegangen weilen voer dieser große Unordnung erstanden wegen den Koning, so von ein jeden ist auff der Strasse geschoncken worden jeden geldt hatt praesentiret und das Konigs-mahl viele Unkosten gedaen und einen jeden genotiget, also ist nun voer einmahl abgeredet, das dieses jähr und hinführe aller mißbrauch abzuschaffen und der Konig keinen so ihm ein Drunck praesentiret kein geldt soll geben, bey verlust eyn Tonne bier. 2.) Kein Konig soll nicht mehr freystehen als drey frey geste zu laden wan aber einer übrig were, soll der Konig seibesten bezahlen, damittden Schüttßen keine Unkosten soll merder verursacht werden. NB. wan einer in das iahrwirdt verreisen soll schul-dich sein, sein halbe gelach bezahlen. Dieses also nachzukommen dieses iahr als König johan Berendt Holberans hatt solches pariret und nachgelobet. Anno 1686 den 25. Mey Haben wir sembtliche Ovisieren neben Einge sützen Ingegangen wegen großen Unratt, daß hinführe nach der Konginnen Hauß keyn Bir als 14 Kanne gebracht werden undt solle kein sütze als König undt Verordneter Ovisieren nach dem Konginnen hauß sich zu begeben bey Verluß Einer halben tunne Bier.